Fotos: divulgação
Nach zweimonatiger Ausstellung im Internet und den
Medien, endete am 24. Oktober eine seltsame Auktion: die Versteigerung der
Jungfräulichkeit der Südbrasilianerin Catarina Migliorini (20). Ein Japaner,
genannt „Natsu“, gewann mit 780 tausend US-Dollar das „Los“: er darf nun „das
erste Mal“ mit der angehenden Medizin-Studentin. Die Begegnung ist Höhepunkt eines Dokumentarfilms der Anfang
2013 weltweite Verbreitung finden soll.
Der
Veranstalter der „Auktion” ist die
Internet-Seite „Virgins Wanted“, die Idee hatten der unbekannte Filmemacher, Justin Sisely, und sein ebenso unerfahrener Produzent, Thomas Williams,
beide Australier. Sisely´s Filmoeuvre beschränkt sich bisher auf eine einzige
Surf-Dokumentation, Williams verdiente seinen Unterhalt mit Hochzeits-Videos.
(Un)schuld der Medien?
Jungfrauen,
die ihre Unschuld verkaufen, sind nichts Neues. Eingang in die Geschichte
bizarren Verhaltens fand die 22jährige US-Amerikanerin Natalie Dylan, die 1998
Angebote bis zu 3,8 Mio. Dollar für ihre Jungfernhaut erhielt. Als Grund für
ihren Schritt nannte sie die Finanzierung ihres Studiums. Für das peruanische
Model, Graciela Yataco, mußte als Grund die medizinische Behandlung ihrer
Eltern herhalten. Sie erhielt Angebote bis zu 1,5 Mio. US-Dollar, gab jedoch
auf. Rafaella Fico, Model und Teilnehmerin am „Big Brother“ in Italien,
verlangte 1.3 Mio. Euro für das Ende ihrer Unschuld.
Wie beim Rätselraten
darüber, ob erst das Ei, oder das Huhn, stellt sich bei der öffentlichen
Entjunferung die Frage, wer zuerst auf den kapriziösen Gedanken kam: Ob die Jungfern,
oder die Medien. In Arthur Goldens „Memoirs of a gheisha“ (1997), versteigert
eine Japanerin den Siegel ihrer Weiblichkeit. Doch der brasilianische
Drehbuchautor, Gilberto Braga, war dem US-Amerikaner
zuvorgekommnen: In seiner Telenovela, „O Dono do Mundo“ [Der Herr über die Welt],
ausgestrahlt von TV Globo (1991-1992), veräusserte die Figur Márcia Nogueira
(Malu Mäder) als erste ihre Jungfernhaut auf dem Altar des Mammons.
Mit Catarina Migliorini im Bunde,
der angehenden Um-ein-Haar-Millionärin, teilten die Virgins-Wanted-Autoren bisher
das Schicksal der grössten Menschengemeinschaft auf Erden – die persons
unknown. Das änderte sich vor zwei Monaten, als Catarina im Internet von
der Hymen-Versteigerung erfuhr und sich zur Teilnahme anmeldete. Dies hätte sie
ja unter einem Pseudonym machen- und fast unversehrt davon kommen können, denn
ihr Jungfernhäutchen wollte sie ja angeblich einer edlen Sache opfern: die
Finanzierung von Billighäusern für Obdachlose in – nomen est omen - Santa Catarina, ihre südbrasilianische Heimat. Das
aber erschien ihr nun doch zu fromm, also rief sie die Medien an. Wie eine
Zündschnur brannte sich Ihre Bekanntgabe durch Tageszeitungen, Fernsehen und
Internetseiten. Im Nu war Catarina zur Celebrity
geworden, so wie die seltenen Winner
aus ihrer sozialen Schicht, die alljährlich durch die leidliche, doch
Publikumswirksame TV-Sendung „Big Brother“ zum Millionär und „öffentlichen
Person“ werden. Und sei es auch nur für eine Viertelstunde im öden Alltag in
der Provinz - “In the future, everyone
will be world-famous for 15 minutes”, witzelte US-Performkünstler Andy Warhol
einst salbungsvoll.
Geschockte Familien
„Es war nicht leicht, Mädchen zu finden, denn
immer wenn wir eine gecastet hatten,
funkten Freunde und Familienangehörige dazwischen, setzten sie unter Druck, und
die Mädchen sprangen ab“, erklärte Sisely dem Internetportal Huffington Post. Marli Migliorini, Catarinas Mutter, reagierte zunächst neutral:
“Die Entscheidung hat sie allein getroffen, sie hat niemanden um andere Meinung
gebeten. Sie ist ja volljährig...“. Der im Ausland lebende Vater, ein
Architekt, war entsetzt, “dennoch habe ich seine Unterstützung“, versicherte
Catarina. Doch dann wollte Marli doch nach Bali reisen, wo die Dreharbeiten
stattfanden, um der Tochter die Teinahme auszureden. Die Eltern waren über das Ausmass
der Affaire in den Medien geschockt, damit hätten sie nicht gerechnet, erklärte
die Frau dem Nachrichtenportal G1, allerdings wenig überzeugend. Doch genau die
Publicity schien das Kalkül der Tochter gewesen zu sein. „Ich Bin davon
überzeugt, dieses Mädchen wird von grossem Geltungsbedürfnis angetrieben, sie
will die öffentlicdhe Darstellung...“, schlussfolgerte Marcos Alexandre Gomes, Professor
für Psychologie an der Fakultät Helio Alonso, Rio de Janeiro.
Prostitution – ja oder ja?
Marli beeilte
sich einen Satz der Tochter zu dementieren. „Ich war immer ein romantisches
Mädchen, doch die Versteigerung ist reines
Geschäft“, hatte Catarina im Brustton der Überzeugung verkündet. Der Satz rief
die Moralapostel - aber nicht nur die - auf den Plan. Die Mutter meint, man
solle den Satz als „naïv” verstehen.
Regierungen und beachtliche Teile der weltweiten Öffentlichkeit sehen das
anders: Catarina wurde der Vollzug des Erstbeischlafs in Australien unter
Androhung von Strafmassnahmen untersagt: die Aktion verstösst gegen den
Prostitutions-Paragraphen im Lande. Auch in den USA – ein Grund weshalb am 3. November
Catarina und ihr japanischer Entjungferer den Akt über dem Ozean, während einem
Flug von Sidney nach New York vollziehen müssen.
"Diese Art von Geschäft
schafft eine gefährliche Präzedenz, ganz zu schwiegen vom Aufruf zu weltweiter
Prostitution“, warnte Cleon Daskalakis, ehemalige Geschäftsführerin des Philantropievereins Boston Bruin, in Anspielung auf das
angebliche charitative Ziel von Migliorinis
Opfergang. Der in ihrer Heimat populäre Journalist und Blogger, Cacau Menezes, erregte sich: „Dieses Mädchen
gibt den jungen Menschen auf der ganzen Welt ein sehr schlechtes Beispiel. Welch´andre
Bedeutgung soll dem zugemessen werden, als nicht die der Prostitution? Wir
sollten ja nicht heuchlerisch sein und als Moralapostel auftreten, doch mir
kann niemand weismachen, dass jemand, der eine Dreiviertelmillion Dollar zahlt,
nicht sein Anrecht geltend macht, dafür auch mit Lust entschädigt zu werden!
... Aber die Medien schönschreiben und fördern ja geradezu solche solche Ideen
in den schrägen Köpfen der gegenwärtigen Jugend!“.
Fleischbetastung
Vor dem Akt, müsse
Migliorini von einem Gynekologen auf die Richtigkeit ihrer Angaben untersucht
werden, wenn man verstünde, was er meine,
sinnierte Sizely: Es gäbe da so einen Test, der nachweist, ob Catarina
vorher von einem Penis penetriert worden sei, oder nicht – also, eine
Garantieleistung für den Käufer, damit der auch bekommt, wofür er gezahlt hat.
Das liest sich wie eine
Fleischbetastung beim Metzger – so hirnverbrannt und brutal wie der Satz Richard Mourdocks, Romneys
republikanischer Kandidat für den US-Senat, demnach eine Schwangerschaft als
Folge einer Vergewaltigung, „dem Wille Gottes“ entspräche.
Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren,
für die Veranstalter von “Virgins Wanted“ sei der Verkauf der Jungfräulichkeit blosses
„Fleisch in der Dose“; aber auch für die „Verkäuferin“. Die Aktvorgaben sind
rigoros, von eiskaltem Geschäftskalkül eingefädelgt: Der Freier darf Migliorini
nur penetrieren, aber nicht küssen oder Bewegungen vollziehn und Utensilien zur
Luststeigerung verwenden.
Alter Brauch im Christlichen Abendland
Streng historisch gesehen, mutet das Moralgeschrei in der
Tat etwas heuchlerisch an. Worin unterscheidet sich schliesslich Migliorinis
Entjungferung vom Jahrtausend alten Brauch und eiskalten Kalkül der massenhaften
„Versprechung“ und Verehelichung europäischer Mädchen an fremde Fürsten, zur
Schmiedung neuer politischer Allianzen und Sicherung wirtschaflicher
Interessen? Ein nachlesenswertes Lehrstück vom kirchlich sanktionierten Handel
mit der Unschuld ist beispielsweise die tragische Geschichte der Heiligen
Elisabeth, die bereits als siebenjährige dem ältesten Sohn des Landgrafen Hermann von Thüringen versprochen
wurde.
Den Unterschied, so scheint es, macht der Zeitgeist der
Postmoderne: Der Entfall des traditionellen Ehrenkodex im modernen
Rechtsverständnis ging einher mit dem schrittweisen Verfall der „Aufbauwerte“
des Abendlandes. Dazu gehört die Ent-romantisierung der Sexualität und die Verdinglichung
des weiblichen Körpers. Und streng ökonomisch gesehen: Die Frauen im Mittelalter
waren ja die Doppelverliererinnen, sie verdienten garnichts am Handel mit ihrem
Geschlecht und verloren obendrein ihre Unschuld. Anders im Zeitalter der
Gleichberechtigung.
“Diese Auktion handelt von der Umwandlung des Lebens“,
brüstete sich der Australier Sisely, „die Leute, die daran teilnehmen, sind
danach andere Menschen, ihr Leben wird nicht mehr das gleiche sein“.
„Womit wird das
Leben Catarina danach bescheren?” , fragt er zynisch.
Die Bescherung, so viel ist sicher, bringt die Reife –
sie könnte bitter sein.
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