29 outubro 2012

Frederico Füllgraf - Der 0,5 Mio. Euro Deal mit der Jungfernhaut

Fotos: divulgação


Nach zweimonatiger Ausstellung im Internet und den Medien, endete am 24. Oktober eine seltsame Auktion: die Versteigerung der Jungfräulichkeit der Südbrasilianerin Catarina Migliorini (20). Ein Japaner, genannt „Natsu“, gewann mit 780 tausend US-Dollar das „Los“: er darf nun „das erste Mal“ mit der angehenden Medizin-Studentin. Die Begegnung ist  Höhepunkt eines Dokumentarfilms der Anfang 2013 weltweite Verbreitung finden soll.

Der Veranstalter der  „Auktion” ist die Internet-Seite „Virgins Wanted“, die Idee hatten der unbekannte Filmemacher,  Justin Sisely, und sein ebenso unerfahrener Produzent, Thomas Williams, beide Australier. Sisely´s Filmoeuvre beschränkt sich bisher auf eine einzige Surf-Dokumentation, Williams verdiente seinen Unterhalt mit Hochzeits-Videos.

(Un)schuld der Medien?

Jungfrauen, die ihre Unschuld verkaufen, sind nichts Neues. Eingang in die Geschichte bizarren Verhaltens fand die 22jährige US-Amerikanerin Natalie Dylan, die 1998 Angebote bis zu 3,8 Mio. Dollar für ihre Jungfernhaut erhielt. Als Grund für ihren Schritt nannte sie die Finanzierung ihres Studiums. Für das peruanische Model, Graciela Yataco, mußte als Grund die medizinische Behandlung ihrer Eltern herhalten. Sie erhielt Angebote bis zu 1,5 Mio. US-Dollar, gab jedoch auf. Rafaella Fico, Model und Teilnehmerin am „Big Brother“ in Italien, verlangte 1.3 Mio. Euro für das Ende ihrer Unschuld.

Wie beim Rätselraten darüber, ob erst das Ei, oder das Huhn, stellt sich bei der öffentlichen Entjunferung die Frage, wer zuerst auf den kapriziösen Gedanken kam: Ob die Jungfern, oder die Medien. In Arthur Goldens „Memoirs of a gheisha“ (1997), versteigert eine Japanerin den Siegel ihrer Weiblichkeit. Doch der brasilianische Drehbuchautor,  Gilberto Braga, war dem US-Amerikaner zuvorgekommnen: In seiner Telenovela, „O Dono do Mundo“ [Der Herr über die Welt], ausgestrahlt von TV Globo (1991-1992), veräusserte die Figur Márcia Nogueira (Malu Mäder) als erste ihre Jungfernhaut auf dem Altar des Mammons.
Mit Catarina Migliorini im Bunde, der angehenden Um-ein-Haar-Millionärin, teilten die Virgins-Wanted-Autoren bisher das Schicksal der grössten Menschengemeinschaft auf Erden  – die persons unknown. Das änderte sich vor zwei Monaten, als Catarina im Internet von der Hymen-Versteigerung erfuhr und sich zur Teilnahme anmeldete. Dies hätte sie ja unter einem Pseudonym machen- und fast unversehrt davon kommen können, denn ihr Jungfernhäutchen wollte sie ja angeblich einer edlen Sache opfern: die Finanzierung von Billighäusern für Obdachlose in – nomen est omen - Santa Catarina, ihre südbrasilianische Heimat. Das aber erschien ihr nun doch zu fromm, also rief sie die Medien an. Wie eine Zündschnur brannte sich Ihre Bekanntgabe durch Tageszeitungen, Fernsehen und Internetseiten. Im Nu war Catarina zur Celebrity geworden, so wie die seltenen Winner aus ihrer sozialen Schicht, die alljährlich durch die leidliche, doch Publikumswirksame TV-Sendung „Big Brother“ zum Millionär und „öffentlichen Person“ werden. Und sei es auch nur für eine Viertelstunde im öden Alltag in der Provinz -  “In the future, everyone will be world-famous for 15 minutes”, witzelte US­-Performkünstler Andy Warhol einst salbungsvoll.
Geschockte Familien

 „Es war nicht leicht, Mädchen zu finden, denn immer wenn wir eine gecastet hatten, funkten Freunde und Familienangehörige dazwischen, setzten sie unter Druck, und die Mädchen sprangen ab“, erklärte Sisely dem Internetportal Huffington Post. Marli Migliorini, Catarinas Mutter,  reagierte zunächst neutral: “Die Entscheidung hat sie allein getroffen, sie hat niemanden um andere Meinung gebeten. Sie ist ja volljährig...“. Der im Ausland lebende Vater, ein Architekt, war entsetzt, “dennoch habe ich seine Unterstützung“, versicherte Catarina. Doch dann wollte Marli doch nach Bali reisen, wo die Dreharbeiten stattfanden, um der Tochter die Teinahme auszureden. Die Eltern waren über das Ausmass der Affaire in den Medien geschockt, damit hätten sie nicht gerechnet, erklärte die Frau dem Nachrichtenportal G1, allerdings wenig überzeugend. Doch genau die Publicity schien das Kalkül der Tochter gewesen zu sein. „Ich Bin davon überzeugt, dieses Mädchen wird von grossem Geltungsbedürfnis angetrieben, sie will die öffentlicdhe Darstellung...“, schlussfolgerte Marcos Alexandre Gomes, Professor für Psychologie an der Fakultät Helio Alonso, Rio de Janeiro.


Prostitution – ja oder ja?

Marli beeilte sich einen Satz der Tochter zu dementieren. „Ich war immer ein romantisches Mädchen, doch die Versteigerung ist reines Geschäft“, hatte Catarina im Brustton der Überzeugung verkündet. Der Satz rief die Moralapostel - aber nicht nur die - auf den Plan. Die Mutter meint, man solle den Satz als „naïv” verstehen.
Regierungen und beachtliche Teile der weltweiten Öffentlichkeit sehen das anders: Catarina wurde der Vollzug des Erstbeischlafs in Australien unter Androhung von Strafmassnahmen untersagt: die Aktion verstösst gegen den Prostitutions-Paragraphen im Lande. Auch in den USA – ein Grund weshalb am 3. November Catarina und ihr japanischer Entjungferer den Akt über dem Ozean, während einem Flug von Sidney nach New York vollziehen müssen.

"Diese Art von Geschäft schafft eine gefährliche Präzedenz, ganz zu schwiegen vom Aufruf zu weltweiter Prostitution“, warnte Cleon Daskalakis, ehemalige Geschäftsführerin des Philantropievereins Boston Bruin, in Anspielung auf das angebliche charitative Ziel von Migliorinis  Opfergang. Der in ihrer Heimat populäre Journalist und Blogger, Cacau Menezes, erregte sich: „Dieses Mädchen gibt den jungen Menschen auf der ganzen Welt ein sehr schlechtes Beispiel. Welch´andre Bedeutgung soll dem zugemessen werden, als nicht die der Prostitution? Wir sollten ja nicht heuchlerisch sein und als Moralapostel auftreten, doch mir kann niemand weismachen, dass jemand, der eine Dreiviertelmillion Dollar zahlt, nicht sein Anrecht geltend macht, dafür auch mit Lust entschädigt zu werden! ... Aber die Medien schönschreiben und fördern ja geradezu solche solche Ideen in den schrägen Köpfen der gegenwärtigen Jugend!“.

Fleischbetastung
Vor dem Akt, müsse Migliorini von einem Gynekologen auf die Richtigkeit ihrer Angaben untersucht werden, wenn man verstünde, was er meine,  sinnierte Sizely: Es gäbe da so einen Test, der nachweist, ob Catarina vorher von einem Penis penetriert worden sei, oder nicht – also, eine Garantieleistung für den Käufer, damit der auch bekommt, wofür er gezahlt hat.
Das liest sich wie eine Fleischbetastung beim Metzger – so hirnverbrannt und brutal wie der Satz Richard Mourdocks, Romneys republikanischer Kandidat für den US-Senat, demnach eine Schwangerschaft als Folge einer Vergewaltigung, „dem Wille Gottes“ entspräche.

Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, für die Veranstalter von “Virgins Wanted“ sei der Verkauf der Jungfräulichkeit blosses „Fleisch in der Dose“; aber auch für die „Verkäuferin“. Die Aktvorgaben sind rigoros, von eiskaltem Geschäftskalkül eingefädelgt: Der Freier darf Migliorini nur penetrieren, aber nicht küssen oder Bewegungen vollziehn und Utensilien zur Luststeigerung verwenden.
Alter Brauch im Christlichen Abendland
Streng historisch gesehen, mutet das Moralgeschrei in der Tat etwas heuchlerisch an. Worin unterscheidet sich schliesslich Migliorinis Entjungferung vom Jahrtausend alten Brauch und eiskalten Kalkül der massenhaften „Versprechung“ und Verehelichung europäischer Mädchen an fremde Fürsten, zur Schmiedung neuer politischer Allianzen und Sicherung wirtschaflicher Interessen? Ein nachlesenswertes Lehrstück vom kirchlich sanktionierten Handel mit der Unschuld ist beispielsweise die tragische Geschichte der Heiligen Elisabeth, die bereits als siebenjährige dem ältesten Sohn des Landgrafen Hermann von Thüringen versprochen wurde.
Den Unterschied, so scheint es, macht der Zeitgeist der Postmoderne: Der Entfall des traditionellen Ehrenkodex im modernen Rechtsverständnis ging einher mit dem schrittweisen Verfall der „Aufbauwerte“ des Abendlandes. Dazu gehört die Ent-romantisierung der Sexualität und die Verdinglichung des weiblichen Körpers. Und streng ökonomisch gesehen: Die Frauen im Mittelalter waren ja die Doppelverliererinnen, sie verdienten garnichts am Handel mit ihrem Geschlecht und verloren obendrein ihre Unschuld. Anders im Zeitalter der Gleichberechtigung.
“Diese Auktion handelt von der Umwandlung des Lebens“, brüstete sich der Australier Sisely, „die Leute, die daran teilnehmen, sind danach andere Menschen, ihr Leben wird nicht mehr das gleiche sein“.
 „Womit wird das Leben Catarina danach bescheren?” , fragt er zynisch.
Die Bescherung, so viel ist sicher, bringt die Reife – sie könnte bitter sein.

"Business as usual..." 

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